Ein Fremder kommt ins Volmetal – wie beschreiben Sie ihm Halver?

Halver ist die schönste Stadt im südlichen Märkischen Kreis. Wir haben alles, was wir hier brauchen. Wer einmal in Halver angekommen ist, muss Halver nie wieder verlassen. Das ist mein Standardspruch. Wir haben alle Schulformen – da sind wir sehr stolz drauf, das ist kein Standard. Wir haben 6500 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Wir haben mittlerweile eine wunderschöne Innenstadt mit einer durchaus erwähnenswerten Gastroszene – auch das unterscheidet uns von anderen Städten. Wir sind gut aufgestellt – das betrifft auch die Angebote für ältere Herrschaften, aber leider noch nicht die Angebote für junge Menschen, da müssen wir noch nachbessern.

Die Sperrung der A45 geht auch an Halver nicht spurlos vorbei. Das höhere Verkehrsaufkommen belastet die Landesstraßen und den innerstädtischen Verkehr. Bietet das Lkw-Verbot eine tatsächliche Entlastung?

Das Lkw-Verbot, wie es derzeit diskutiert wird, bietet nach meiner Einschätzung keine Entlastung, sondern eine Verlagerung. Wir haben dann die Situation, dass erzwungen wird, die Strecke zwischen Hagen und Meinerzhagen über die B54 zu absolvieren und das führt zu Ausweichverkehr, der dann auf Straßen stattfindet, die auch nicht dafür geeignet sind. Das ist keine Lösung, wir verschieben das Problem. Ich würde mir wünschen, dass wir zu anderen Lösungen kommen.

Welche könnte das sein?

Ein frühzeitiges Lkw-Verbot auf den Autobahnen, nicht erst auf den kommunalen Straßen.

Anwohner und Unternehmer haben meist unterschiedliche Anforderungen und Sichtweisen auf An- und Ablieferungsverkehr. Was sagt man da wem?

Es ist einmal die Definition von Quell- und Zielverkehr und einmal die Definition von Durchgangsverkehr. Den Quell- und Zielverkehr will niemand der Verantwortlichen unterdrücken. Das kann nicht sein. Das bringt den beteiligten Firmen, Speditionen und Arbeitnehmern zusätzliche Probleme. Es  geht um den Durchgangsverkehr. Das Problem sind diejenigen, die in Hamburg losfahren und in München ankommen wollen und hier durchfahren, nur damit sie ein paar Kilometer sparen. Das darf nicht passieren. Mit einem weiträumigen Lkw-Verbot wäre ein großer Teil des Verkehrs, der uns hier Probleme macht, dann glaube ich weg.

Wie kann man das konkret umsetzen? Die Kontrolle ist ja sehr aufwendig.

Im Moment habe ich nicht den Eindruck, dass der derzeitige Vorschlag auf ungeteilte Zustimmung stößt. Insofern habe ich immer noch die Hoffnung, dass wir alle gemeinsam an dem Ziel arbeiten, was ich gerade formuliert habe. Und erst wenn das nicht erreicht werden kann, stellt sich die Frage: Wie kontrolliere ich eine Regelung, die ich jetzt noch gar nicht angeordnet habe. Ich hoffe, dass uns das erspart bleibt.

Nach der zweiten Gradientenabsenkung in Oberbrügge kann die B54 die Städte deutlich entlasten. Bietet sie eine Alternative für den Umleitungsverkehr generell und im Speziellen für Halver?

Ich finde die Gradientenabsenkung völlig falsch. Die führt dazu, dass die Fahrzeuge, die bisher nicht durchfahren konnten, jetzt durchfahren können und wird dazu führen, dass noch größere Fahrzeuge auf einer Straße unterwegs sind, die zumindest partiell gar nicht den Ausbau und Querschnitt hat, den sie braucht. Ich habe aus Spaß Sebastian Wagemeyer beim letzten Mal gesagt: Den Sekundenkleber hab ich schon gekauft, wir kleben uns da fest, wenn die mit ihren Maschinen kommen.

Was dort erreicht werden soll, ist ein normaler Standard für eine normale Bundesstraße. Das hätte man jahrzehntelang schon haben können.

Aber geht es nicht vor allem darum, die Fahrzeuge, die bislang über die L528 und durch den Stadtkern von zum Beispiel Kierspe fahren, umzuleiten, über eine zur Autobahn nahezu parallel verlaufende Bundesstraße? Man hätte eine direkte Verbindung zwischen Meinerzhagen und Hagen.

Ich glaube, dass die B54 in der derzeitigen Gemengelage heute schon nicht attraktiv ist für einen Lkw-Fahrer. Die ist zu eng. Die ist zu stark bewohnt. Sie wird großflächig  durchzogen von geschlossenen Ortschaften mit Tempo 50, mit Starenkästen, mit engen Kurven. Wir haben Tempo 30 in Hagen-Dahl. Wenn ich als Lkw-Fahrer sagen würde, ich möchte auf entspanntem Weg von A nach B, dann fahre ich nicht über die B54, sondern über die L528.

Wann können Kinder und Jugendliche in Halver wieder skaten und biken?

Ich hoffe bald. Ich würde mir wünschen, Ende nächsten Jahres. Ich schätze aber Frühjahr 2024. Mit dem derzeit ganz neu diskutierten Standort an der Minigolfanlage könnte das was werden. Ich hatte das Projekt gedanklich am Hochbehälter an der Karlshöhe verortet, aber die Verwirklichung scheiterte dann an den Wasserleitungen unter dem Gelände. Die hätten wir nicht überbauen können. Am neuen Standort haben wir eine Möglichkeit ohne Risiken.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz gelten als die entscheidendsten Themen der kommenden Jahre. Welchen Beitrag kann Halver leisten; als Stadt ebenso wie jeder Bürger?

Halver hat in den vergangenen zwei Jahren schon ein enormes Umdenken hinbekommen. Wir haben bei der Windkraft zwei Projekte, die sehr konkret sind (Anm. d. Red.: ehem. Munitionsdepot und Schöneberge). Das gibt eine echte CO2-Vermeidung.
Die Freiflächenphotovoltaik wird sich verändern. Wir haben dazu im Moment sehr viele Nachfragen. Die Größte davon geht von einem süddeutschen Investor aus, der 32 Hektar angefragt hat. Die kleinste Anfrage ist bei fünf Hektar. Die Freiflächenphotovoltaikanlagen werden wir im kommenden Jahr politisch beraten.

Wir haben darüber hinaus das Öko- und Naturschutz-Projekt gemeinsam mit dem BUND und der Heesfelder Mühle: „Von der Quelle bis zur Mühle“. Wir haben über eine Million Euro im Haushalt für das Thema Nachhaltigkeit eingeplant. Das betrifft auch Straßenbäume, die wir erhalten wollen. Nicht zu vergessen unser Klimaschutzkonzept, das die Klimaschutzmanagerin Karla Luchterhandt betreut. Wir haben im Rathaus das Jobrad eingeführt. Wir werden hoffentlich im nächsten Jahr die Trasse 1 aus dem Radwegenetz realisieren, da warten wir nur noch auf den Landschaftspflegerischen Begleitplan. An weiteren Radwegen sind wir dran. Ganz wichtig ist auch die Arbeit von Frau Luchterhandt in den Schulen. Das heißt: Multiplikatoren-Arbeit und Früherziehung.

Hinzu kommt, dass wir tolle Förderprogramme haben für Eigenheimbesitzer mit viel Potenzial. Infos dazu gibt’s bei den Verbraucherzentralen.

Was leisten Sie selbst im Privaten für den Klimaschutz?

Ich lasse mich beraten, wie ich mein Haus energetischer aufstellen kann. Wir versuchen, möglichst viel mit dem Bus zu machen. Oder einfach weniger fahren, ein Meeting auch weiterhin online abhalten. Wir kaufen regionale Produkte und verhalten uns angemessen. Es geht aber nicht um Selbstkasteiung.

Wann sind alle Schulen in Halver digital aufgestellt?

Das sind wir eigentlich. Wir haben überall Glasfaser drin liegen. Gerade wird die Inhouse-Ausleuchtung optimiert. Und wir haben im AFG eine flächendeckende Ausleuchtung und ein Bring-your-own-Device-System. Ein ähnliches System haben wir an der Humboldtschule. In den Grundschulen befinden wir uns in den letzten Zügen beziehungsweise in der Aufrüstung. 2023 wird für die Schulen ein digitales Jahr.

Nennen Sie drei Projekte, die Sie als Bürgermeister der Stadt Halver im vergangenen Jahr besonders stolz gemacht haben.

Erstens: Die barrierefreien Busbahnhöfe. Zweitens: Das gesamte Krisenmanagement. Das haben wir ganz gut hinbekommen. Wir haben ja multiple Krisen erlebt: Corona, die Ukraine, der Borkenkäfer, die Flut, die A45… Da bin ich wirklich stolz, wie sehr wir uns auf die Halveraner Ehrenamtlichen verlassen konnten. Drittens: Ich fand es sehr bemerkenswert, wie sehr Inge Zensen um eine Kulturveranstaltung gekämpft und diese umgesetzt hat. Die Runde um den Block im Mai hat Halver so gut getan. Das war wunderschön.

Welche drei Schlagzeilen wünschen Sie sich für das Jahr 2023 für Halver?

Ich wünsche mir von Herzen, dass ganz viele ukrainische Flüchtlinge im nächsten Jahr frei entscheiden können, ob sie zurückgehen oder nicht. Sprich: Frieden für die Ukraine.

Für Halver wünsche ich mir, dass wir die Dinge, die wir gemeinsam angefangen haben, nun auch gut zu Ende bringen. Ohne dass wir bei anderen Menschen Fehler suchen oder Verantwortungen von rechts nach links schieben.

Der Skatepark wird eingeweiht. Die Volksbank wird fertig. Corona ist beendet. Die Waldflächen werden aufgeforstet. Da gibt’s tausend Wünsche.

Zum Schluss noch etwas Privates: Was gab‘s an Heiligabend beim Bürgermeister zu Essen?

Fisch und Kartoffelsalat. Eine Tradition meiner Frau.

Vielen Dank für das Gespräch.

(Quelle LokalDirekt)